Bildungswesen

Der spätmittelalterliche Aufschwung des Bildungswesens (Gründung von städtischen Lateinschulen, Verbreitung von privaten Elementarschulen in den Städten, Einrichtung von Universitäten, Ausbreitung des humanistischen Bildungsprogramms etc.) betraf auch die Mark Brandenburg, allerdings erreichte er nicht dieselbe Breite und Tiefe wie in benachbarten Regionen. Der Entwicklungsrückstand im Bildungswesen, der auch mit der späten Christianisierung der Region zwischen Elbe und Oder zusammenhing und durch die Kloster- und Pfarrschulen nur unzureichend kompensiert wurde, blieb auch im 16. Jahrhundert bestehen. Zwar gab es in einigen Regionen wie der Altmark und einigen größeren Städten wie Frankfurt oder Brandenburg ein funktionierendes Schulwesen, aber im Ganzen hinkte die Entwicklung des Bildungssystems hier dem andernorts um mehrere Jahrzehnte hinterher.

Die Verbreitung und Durchsetzung der Reformation wirkte sich auch auf das Bildungswesen aus. Im Gefolge des Bildungsprogramms Luthers und Melanchthons, die den Schulbesuch mit dem Doppelargument der Vertiefung des christlichen Glaubens und der Befähigung zu christlicher Weltverantwortung nachdrücklich forderten, wurde seit den 1530er Jahren auch in der Mark Brandenburg nach und nach das Schulwesen umorganisiert. Die Initiative dazu ging vielfach von den städtischen Obrigkeiten aus, allerdings hatte auch Kurfürst Joachim II. in der Kirchenordnung von 1540 erste Vorgaben formuliert und die Reform des Schulwesens zu einem wichtigen Punkt der Visitationen gemacht. In der Regierungszeit von Kurfürst Johann Georg wurden diese Bemühungen verstärkt, etwa indem die Visitations- und Konsistorialordnung von 1573 die knappen Vorgaben der Kirchenordnung von 1540 weiter ausführte. In einem sich über Jahrzehnte erstreckenden Prozess wurden während der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts in den Städten die bestehenden Schulen im Sinne des reformatorisch-humanistischen Bildungsprogramms erneuert, neue Schulen gegründet und nach und nach sogar Mädchenschulen eingerichtet. Zuletzt wurde auch der Ausbau des Schulwesens auf dem Lande in Angriff genommen, der sich allerdings über Jahrhunderte hinziehen sollte. Mit dem Berliner Gymnasium zum Grauen Kloster und dem Joachimsthalschen Gymnasium wurde Ende des 16. und Anfang des 17. Jahrhunderts auch die beiden ersten überregional bedeutsamen Schulen gegründet.

Die 1506 gegründete Frankfurter Universität (Viadrina) wurde im Zuge der Reformation rasch und erfolgreich reorganisiert und zu einer eng mit Gemeinwesen und Kirche verflochtenen Landesuniversität gemacht. Um 1600 gehörte die Viadrina zu den führenden lutherischen Hochschulen des Deutschen Reichs. Wegen der Verwicklung der Universität in den Konfessionswechsel der Hohenzollern verlor sie an Attraktivität und stand während es 17. und 18. Jahrhunderts im Schatten benachbarter Hochschulen.

Während der Frühen Neuzeit wurde trotz der Bemühungen um den Ausbau des Bildungswesens und die Steigerung des Bildungsniveaus nur ein vergleichsweise kleiner Teil der märkischen Bevölkerung vom spätmittelalterlich-reformatorischen Bildungsaufbruch erreicht. Erst mit den aufklärerisch-pietistischen Schulreformen, mit dem Aufbau eines gegliederten und alle Kinder umfassenden Schulsystems und mit der Reorganisation der Universitäten bekam das Bildungswesen in der Mark Brandenburg im 18. und 19. Jahrhundert seine moderne Gestalt.

Andreas Stegmann

Weiterführende Literatur:

Richard Arnoldt: Geschichte der lateinischen Schule in Prenzlau v. 1543–1704 (in: Geschichte des Gymnasiums zu Prenzlau von 1543-1893. Festschrift zur Feier des 350jährigen Bestehens der Anstalt, Prenzlau 1893, 1–92)

Julius Heidemann: Geschichte des Grauen Klosters zu Berlin, Berlin 1874

Gerd Heinrich: Art. Frankfurt an der Oder, Universität (Theologische Realenzyklopädie 11, 1983, 335–342)

Michael Höhle: Universität und Reformation. Die Universität Frankfurt (Oder) von 1506 bis 1550, Köln u.a. 2002

Wolfgang Neugebauer: Absolutistischer Staat und Schulwirklichkeit in Brandenburg-Preußen, Berlin u. New York 1985

Lothar Noack, Jürgen Splett: Bio-Bibliographien. Brandenburgische Gelehrte der Frühen Neuzeit. Mark Brandenburg mit Berlin-Cölln 1506–1640, Berlin 2009

Friedrich Wienecke: Die Begründung der evangelischen Volksschule in der Kurmark und ihre Entwicklung bis zum Tode König Friedrichs I. 1540–1713 (Zeitschrift für Geschichte der Erziehung und des Unterrichts 3, 1913, 17–69)

Agnes Winter: Das Gelehrtenschulwesen der Residenzstadt Berlin in der Zeit von Konfessionalisierung, Pietismus und Frühaufklärung (1574–1740), Berlin 2008

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